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09 Mai 2019
Berlin - Letztes Jahr erschütterte die Geburt der ersten genetisch veränderten Babys die Welt. Der Deutsche Ethikrat legt nun eine Stellungnahme vor, in der er die Möglichkeiten, in das Genom menschlicher Embryonen oder Keimzellen einzugreifen, ethisch umfassend untersucht. Zwar hält er die menschliche Keimbahn nicht für unantastbar. Gleichwohl beurteilt er Keimbahneingriffe derzeit wegen ihrer unabsehbaren Risiken für ethisch unverantwortlich. Deshalb fordert er ein Anwendungsmoratorium und empfiehlt Bundesregierung und Bundestag, sich für eine verbindliche internationale Vereinbarung dazu einzusetzen.
Zwingende Voraussetzung für jegliche künftige Anwendung von Keimbahneingriffen wäre ihre hinreichende Sicherheit und Wirksamkeit sowie die Etablierung angemessener Prozeduren und Begleitstrukturen. Dazu erneuert der Deutsche Ethikrat einstimmig seine Forderung nach einem breiten nationalen und internationalen Diskurs zum Thema und empfiehlt die Einrichtung einer internationalen Institution, die Standards für Keimbahneingriffe am Menschen erarbeitet und sich lösungsorientiert mit deren medizinischen und gesellschaftlichen Implikationen beschäftigt.
Unstrittig ist im Deutschen Ethikrat zudem, dass jede angemessene Beurteilung von Keimbahneingriffen über eine reine Chancen-Risiken-Abwägung hinausgehen muss und nur unter Berücksichtigung von acht ethischen Orientierungsmaßstäben befriedigen kann: Menschenwürde, Lebens- und Integritätsschutz, Freiheit, Schädigungsvermeidung und Wohltätigkeit, Natürlichkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung.
In seiner Stellungnahme entfaltet der Ethikrat diese Orientierungsmaßstäbe und wendet sie exemplarisch auf den vor einer Anwendung von Keimbahninterventionen notwendigen weiteren Forschungsprozess sowie auf drei mögliche Einsatzgebiete an: die Vermeidung schwerer erblicher Erkrankungen, die durch die Veränderung eines einzelnen Gens verursacht werden, die Verringerung multifaktorieller Erkrankungsrisiken und die gezielte Verbesserung menschlicher Eigenschaften und Fähigkeiten (Enhancement).
Dabei zeigt sich, dass es bei aller Einigkeit bezüglich des politischen Handlungsbedarfs zu vielen Fragen unterschiedliche Positionen gibt – auch im Deutschen Ethikrat. Beispielsweise halten nicht alle Mitglieder Keimbahneingriffe überhaupt für sinnvoll. Eine große Mehrheit bewertet die Weiterentwicklung und den Einsatz der Technologie mindestens zur Vermeidung oder Verringerung genetisch bedingter Krankheitsrisiken als ethisch legitimes Ziel. Für andere Mitglieder lassen Keimbahneingriffe keinen ausreichend hochrangigen Nutzen erkennen, der ihre potenziellen Nachteile rechtfertigen könnte.
Um die wesentlichen Fragen, Argumente und Positionen transparent und für den geforderten breiten öffentlichen und auch internationalen Diskurs verfügbar zu machen, fasst der Deutsche Ethikrat sie in einem analytischen Instrumentarium zusammen und visualisiert die möglichen Entscheidungspfade und ihre Konsequenzen in einem Entscheidungsbaum.
Quelle-Foto: Deutscher Ethikrat, Prof. Dr. theol. Peter Dabrock (Vorsitzender des Deutschen Ethikrates)