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24 Jan 2020
Berlin(ots) - Die Welt blickt voller Sorge nach China: Derzeit sind 584 Menschen mit einem neuartigen Coronavirus infiziert und leiden unter Lungenentzündungen oder zeigen "grippeähnliche Symptome". Die Weltgesundheitsorganisation vermutet, dass die Krankheit von Tieren auf Menschen übertragen wurde. Dr. May Hokan, Tierärztin und seit 2019 beim WWF, setzt sich mit gesundheitlichen Aspekt des Zusammenhangs von Mensch, Tier und Umwelt auseinander. Beim WWF arbeitet sie zum Lebensraumschutz von Löwen, Elefanten und Geparden im südlichen Afrika. Zu den aktuellen Fällen erklärt sie:
"Es wird davon ausgegangen, dass die Quelle des derzeitigen Ausbruchs von einem Fischmarkt der chinesischen Stadt Wuhan stammt, auf dem auch Wildtiere illegal verkauft wurden. Viele von uns haben ein Déjà-vu: 2003 brach in China das SARS-Coronavirus aus und tötete fast 800 Menschen. Der Ursprungsort auch damals ein chinesischer Markt, der Überträger eine Schleichkatzenart. 17 Jahre später wird in China wieder wegen eines Coronavirus ein Markt geschlossen, das Land riegelt Millionenstädte ab.
Coronavirus-Infektionen kommen bei Menschen und bei Tieren vor. Einige Stränge sind zoonotisch, das heißt sie können von Tier auf Mensch übertragen werden. Die Menschen auf dem Seafood-Markt in Wuhan kamen dort auch mit Wildtieren in Kontakt wie Fledermäuse, Schlangen, Enten, Wildkaninchen und Waschbären, die ebenfalls dort gehandelt werden. Die Tiere werden auf engstem Raum in Käfigen gehalten, was nicht nur aus Tierschutzgründen bedenklich ist, sondern auch ideale Bedingungen für Krankheitserreger bietet, die sich z.B. über Körpersekrete verbreiten. Viele von den Tieren, die auf den Märkten gehandelt werden, sind Wildtiere, einige stark gefährdet.
Der genaue Ursprung des Virus ist noch unklar. ForscherInnen vermuten, dass das neue Virus, wie damals auch das SARS-Virus, von Fledermäusen über einen Zwischenwirt auf Menschen übertragen wurde. Beim derzeitigen Ausbruch sind Schlangen als Zwischenwirte im Verdacht. Eines ist aber sicher: Das Virus kann nun auch von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Laut Welt-Tiergesundheitsorgansiation OIE sind 60% der existierenden Infektionskrankheiten zoonotisch (Tuberkulose, Tollwut, HIV) und mindestens 75% der neuauftretenden Infektionskrankheiten (Ebola, Influenza, Nipah-Virus) haben einen tierischen Ursprung. Wie kommt es, dass diese Zahl steigt? Es gibt immer mehr Menschen auf der Welt, die dazu immer häufiger in Metropolen, also auf engem Raum leben. Zudem fliegen Menschen in Zeiten der Globalisierung um die halbe Erdkugel und handeln täglich mit Tieren und tierischen Produkten, welche sie weltweit verschiffen. Das führt dazu, dass sich Erreger einfacher und schneller ausbreiten können. Insbesondere durch den Wildtierhandel wird ein Überschwappen von Viren von Wildtieren auf Menschen ermöglicht. Laut GesundheitsexpertInnen würden sich durch die Schließung der Wildtiermärkte viele solcher Ausbrüche verhindern lassen.
Auch vom Menschen verursachte Umweltveränderungen führen zur vermehrten Ausbreitung von Krankheitserregern. Entwaldung und intensive Landwirtschaft erhöhen das Risiko der Übertragung von Infektionskrankheiten und deren Auswirkungen. Denn je mehr wir unsere Umwelt verändern, desto mehr geraten auch Krankheitserreger ins Ungleichgewicht: Menschliche Aktivitäten führen zu neuen Dynamiken von Infektionskrankheiten und neuen Ausbreitungsmustern. Durch erhöhte menschliche Aktivität entsteht eine immer größere Schnittstelle zwischen Mensch, Tier und Umwelt, an der sich Krankheiten übertragen können.
Viren verändern sich schnell. Das macht ihre Ausbreitung unvorhersehbar und die Entwicklung eines Impfstoffes besonders schwierig. Es ermöglicht ForscherInnen aber auch nachzuvollziehen, wie sich der Erreger entwickelt hat. Denn wenn das Virus von einer Art auf eine andere überspringt, mutiert es, das heißt, es verändert sich genetisch. So kann letztlich auch sein Ursprung bestimmt werden.
Egal wo das Coronavirus nun genau herkommt, ein tierischer Ursprung ist sehr wahrscheinlich und zeigt, dass Wildtierhandel nicht nur Tierarten gefährdet, sondern auch uns Menschen."
Quelle-Archivfoto: obs/WWF Deutschland