Merkel und Macron gedenken in Compiègne das Ende des Ersten Weltkriegs

Merkel und Macron gedenken in Compiègne das Ende des Ersten Weltkriegs

11 Nov 2018

Compiègne(F) - Vor 100 Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende, auf den Schlachtfeldern schwiegen endlich die Waffen. Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Wochenende in Paris markiert den Höhepunkt der Gedenkfeiern in Frankreich zu diesem 100. Jahrestag. Gemeinsam mit Staatspräsident Emmanuel Macron weihte Merkel am Samstag an geschichtsträchtigem Ort eine zweisprachige Gedenkplatte ein.

In Compiègne, nördlich von Paris, steht auf der Lichtung von Rethondes ein historischer Eisenbahnwaggon. Hier unterzeichneten unter anderem General Detlof von Winterfeldt und Staatssekretär Matthias Erzberger für das Deutsche Reich die Kapitulationsurkunde. Merkel und Macron besichtigten den Salonwaggon, der heute ein Museum beherbergt, und trugen sich in das Goldene Buch für Gäste ein.

Kanzlerin Merkel erklärte, der 100. Jahrestag sei nicht nur Mahnung, sondern auch Ansporn. Für die Bundesrepublik Deutschland sage sie aus voller Überzeugung, heute sei der Wille da, "alles zu tun, um eine friedlichere Ordnung auf der Welt zu schaffen, auch wenn wir wissen, dass noch sehr, sehr viel Arbeit vor uns liegt." Bei der Gedenkfeier in Compiègne trifft Kanzlerin Merkel Paulette Monier, die am Montag 100 Jahre alt wird.

Am 11. November 1918 endete der Erste Weltkrieg. Er gilt als "Urkatastrophe" des beginnenden 20. Jahrhunderts, denn er zerstörte naive Fortschrittshoffnungen der industriellen Moderne. Deren Zerstörungspotenziale prägten fortan maßgeblich alle Bereiche von Staat, Gesellschaft und Kultur. Der weitere Verlauf der neueren Geschichte, über den Zweiten Weltkrieg hinaus bis hin zum Fall des sogenannten "Eisernen Vorhangs", hat seine Wurzeln in den Verwerfungen nach den Ereignissen vor 100 Jahren.

Lebendiges Zeichen der Freundschaft
Ein lebendiges Zeichen dafür, dass aus den einstigen "Erbfeinden" Deutschland und Frankreich inzwischen enge Nachbarn und Freunde geworden sind, ist die Deutsch-Französische Brigade. Sie stellte die Ehrenformation, die Kanzlerin Merkel und Präsident Macron gemeinsam in Compiègne abschritten.
Zwei Kranzträger aus der Brigade legten den gemeinsamen Kranz an der Gedenkstätte nieder, der Chor der französichen Armee sang die Marsellaise und das Deutschlandlied. Zum Abschluss der Zeremonie stimmte ein französischer Kinderchor die hoffnungsvolle Europahymne mit dem Text "Ode an die Freude" von Friedrich Schiller an.

Für eine friedlichere Zukunft arbeiten
Etwa 60 Staats- und Regierungschefs, unter ihnen die Bundeskanzlerin, sind der Einladung von Präsident Macron gefolgt. Sie nahmen am Sonntag, dem eigentlichen Feiertag zum Kriegsende, an der Zeremonie rund um den Triumphbogen (Arc de Triomphe) in Paris teil. Dort fand eine Militärparade statt und Präsident Macron entzündete am Grab des unbekannten Soldaten eine Flamme. Zudem verlasen Schüler am Grabmal einen Brief vom 11. November 1918. Eine Schweigeminute zu Ehren der Kriegstoten und ein Trompetensignal beendeten die öffentlichen Feierlichkeiten.
Am Nachmittag nimmt die Bundeskanzlerin am internationalen Pariser Forum über den Frieden teil, das von Präsident Macron eröffnet wird. Merkel hält einen der Eröffnungsvorträge, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, einen weiteren. Das dreitägige Konferenzformat findet erstmalig statt. Es wurde vom französischen Präsidenten initiiert und wird von deutscher Seite von der Körber-Stiftung mitgetragen.
Im Zentrum des Pariser Friedens-Forums (Forum de Paris sur la Paix/Paris Peace Forum) stehen konkrete Initiativen, die die multilaterale Zusammenarbeit stärken und fördern sollen. Ziel ist es, internationale Herausforderungen grenzüberschreitend friedlich zu bewältigen. Dazu diskutieren mehr als 5.000 internationale Teilnehmer (Privatpersonen, Nicht-Regierungs-Organisationen, Think Tanks, Medien und Wirtschaftsvertreter) über konkrete Projekte und Initiativen. Im Anschluss sollen Handlungsempfehlungen zu den Bereichen Frieden und Sicherheit, Umwelt, Entwicklung und Digitalisierung formuliert werden.

Ein neues Europa als Chance
Schon in ihrer Ansprache anlässlich einer Gedenkfeier in Verdun am 29. Juni 2016 hatte Kanzlerin Merkel betont, Verdun stehe für die Grausamkeit und die Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin. Zugleich sei Verdun aber auch ein Symbol für die Sehnsucht nach Frieden, die Überwindung von Feindschaft und die deutsch-französische Aussöhnung.
"Orte wie Ypern oder Verdun stehen für die Selbstzerfleischung eines ganzen Kontinents - Europas", mahnte die Kanzlerin in einer Rede am 25. Juni 2014 im Deutschen Bundestag. Sie erinnerte damit an die nachhaltige europäische Dimension der Geschehnisse vor einem Jahrhundert. Mit dem erstmaligen Einsatz von Chemiewaffen durch deutsche Truppen im Jahr 1915 in der 2. Flandernschlacht bei Ypern sei "eine neue Schwelle der Grausamkeit überschritten" worden, so die Kanzlerin bei ihrem Besuch im belgischen Nieuwpoort am 28. Oktober 2014. Diese Schrecken hätten "Verzweiflung, Angst und Sprachlosigkeit" hinterlassen. Angesichts dieser schrecklichen Ereignisse "können wir gar nicht dankbar genug dafür sein, wie viel sich seitdem verändert hat", betonte die Kanzlerin damals. Es sei insofern gut, dass Belgiens Hauptstadt Brüssel heute Sitz der Europäischen Union ist, denn: "Sie steht für Freiheit, für demokratische Werte und die Wahrung internationalen Rechts."

In ganz Europa wird in diesen Tagen des Endes eines vierjährigen Schlachtens an vielen Fronten gedacht. Der Erste Weltkrieg, in Frankreich "Der Große Krieg" (La Grande Guerre) genannt, war der erste mit Massenvernichtungsmitteln geführte Krieg: 1915 setzte das Deutsche Reich erstmals Chlorgas ein, 1917 auch Senfgas. Zum Zeichen, dass die heutige Europäische Union ihre Lektion aus der blutigen Geschichte gelernt hat, gedachte der Europäische Rat am 26. Juni 2014 im belgischen Ypern des Weltkriegsbeginns am 1. August 1914. Seit Herbst 1914 lag der Ort in Flandern direkt an der Westfront und wurde zum Schauplatz hunderttausendfachen Todes.

Quelle-Foto: Bundesregierung/Bergmann

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